Widerstand nimmt Fahrt auf

Zwar hatte es auch bislang schon Demonstrationen und Menschenketten gegen die geplanten Ölbohrungen vor den kanarischen Gewässern gegeben, so richtig in Fahrt gekommen ist der Widerstand aber erst jetzt, nachdem es nun wirklich ernst geworden ist. Das Umweltministerium hatte Repsol kürzlich die erforderlichen Genehmigungen für Probebohrungen erteilt, sodass die endgültige Erlaubnis durch das Industrieministerium von José Manuel Soria nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte.

Veranstalter sprechen von bis zu 200.000 Teilnehmern

Angesichts dieser Tatsache hatten gestern zahlreiche Organisationen zu Protestmärschen auf allen Inseln aufgerufen.

Dieser Apell wurde von Zehntausenden von Menschen befolgt. Während offizielle Stellen von etwa 50.000 Teilnehmern sprechen, gehen die Organisatoren von mindestens der doppelten Anzahl an Demonstranten aus, dies allein auf den beiden Hauptinseln Gran Canaria und Teneriffa. Zählt man die Aktionen auf den bevölkerungsärmeren Inseln hinzu, wird die 100tausender Marke nach Angaben der Veranstalter bei weitem übertroffen. Manche sprechen sogar von mehr als 200.000 Menschen, die deutlich gemacht haben, was sie von der Zerstörung der Natur vor ihrer Haustüre halten.

Wer gestern in Las Palmas auf Gran Canaria unterwegs war, der konnte sich von der großen Zahl der Widerständler überzeugen. Von der Plaza San Telmo, über die Avenida León y Castillo bis zur Plaza de Feria waren die Straßen voll von Menschen, die ihrem Unmut über die Pläne Ausdruck verliehen haben. Nicht viel anders sah es auf den anderen Inseln aus. So waren in der Hauptstadt Teneriffas, Santa Cruz, ebenfalls zigtausende von Menschen zu beobachten, wie sie mit Protestplakaten und akustischen Hilfsmitteln ausgestattet, über die Avenida Francisco La Roche bis zur Plaza de España gezogen sind, um ebenso lautstark wie eindrucksvoll ihre Meinung zu dem Vorhaben von Repsol und der Zentralregierung in Madrid kundzutun. Auch die Bewohner der kleineren Inseln ließen sich nicht lange bitten und zogen in großer Zahl durch die Städte von Fuerteventura, Lanzarote und La Palma.

Tag der mündigen Bürger

Gestern war nicht der Tag der Politiker, sondern der Menschen, die auf den Inseln zu Hause sind und nun scheinbar endlich den Ernst der Lage erkannt haben. Nach neuesten Umfragen ist auf den Kanaren die Zahl derer, die gegen die Ölförderpläne eingestellt sind, in der letzten Zeit stark angestiegen. Eine sehr deutliche Mehrheit der Canarios spricht sich nun gegen die Bohrungen von Repsol aus, obwohl die Befürworter mit großem Aufwand, viel Geld und zahlreichen Versprechungen versuchen, die Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen, was ihnen jedoch am Ende nicht gelingen dürfte, wie die Aktionen des gestrigen Tages gezeigt haben.

Lange Zeit war das Thema auf den Inseln zwar präsent, aber erst jetzt, nachdem das Umweltministerium grünes Licht für die Probebohrungen gegeben hat, gehen die Menschen verstärkt auf die Straßen, um ihre Ablehnung deutlich zu machen. Ob sie mit ihren Forderungen am Ende Erfolg haben werden, hängt nicht zuletzt davon ab, wie intensiv die Proteste weitergehen und ob es gelingt, den Druck auf die Verantwortlichen derart zu erhöhen, dass sie letztendlich einsehen müssen, dass in einem demokratischen Staat gegen den Willen der Betroffenen heute keine Großprojekte mehr so einfach durchzusetzen sind, wie dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Ein einziger großer Protesttag wie gestern wird da allerdings nicht ausreichen. Die Botschaft ist in Madrid vielleicht angekommen, um ihr Nachdruck zu verleihen, ist jedoch noch eine lange Strecke auf dem Weg zur Verhinderung der Bohrtürme vor den Küsten der Kanarischen Inseln zurückzulegen. Und deshalb dürfen die Protestmärsche von gestern nur der Anfang von vielen weiteren Aktionen sein, die nun noch folgen müssen, um Politikern und Konzernen zu zeigen, wer der eigentliche Souverän eines demokratischen Staates ist.