La Palma ist mit seinen nur knapp über 700 km2 schon ziemlich klein und so ist logischerweise auch das Straßenangebot überschaubar. Da die Insel jedoch im Verhältnis der Höhe zur Grundfläche zu den höchsten Inseln der Welt zählt, bleibt zur Höhenüberwindung im Straßenbau dann also nur die Möglichkeit, die Höhe durch Serpentinen zu bewältigen.
Auf unserer Tour mit dem Motorrad soll es vom Mirador El Time zunächst Richtung Tijarafe und weiter nach Puntagorda gehen. Hier wollen wir einen kurzen Abstecher zum Bauernmarkt machen. Danach folgt dann schon bald der Abzweig hinauf zum Roque de Los Muchachos. Wir machen kurz Pause auf dem Gipfelplateau und lassen den gewaltigen Eindruck auf uns wirken. Das Reizvolle am Motorradfahren ist im Vergleich zum Autofahren, dass man die Umwelt viel intensiver wahrnimmt. Das fängt mit den Temperaturen an und endet lange noch nicht bei den Gerüchen.
Auf dem Weg zum Gipfel spürt man die vielen unterschiedlichen Zonen mit ihren schnell aufeinander folgenden Temperaturwechseln. Das liebe ich am Motorradfahren. Nach diesem kurzen Stopp am Gipfel geht es dann auf der Ostseite der Insel wieder hinab, wo wir nochmals halten wollen, um nach einer Quelle Ausschau zu halten, um anschließend weiter nach Santa Cruz zu fahren. Nach kurzem Zwischenstopp in der Hauptstadt geht es dann über San Antonio und San Pedro hinauf in Richtung Tunnel und damit zurück auf die westliche Inselseite.
Das Aridanetal erwacht
Unser Treffpunkt ist das Café am Mirador El Time. Der phänomenale Blick über die Angustias-Schlucht, den Bejenado, die Cumbre und den kahlen Berigoyo bis in den Inselsüden ist immer wieder spannend. Das Wetter ist hervorragend und leichte Unruhe macht sich breit. Wir wollen endlich unser Motorrad in Gang bringen. Nach kurzer Überlegung entschließen wir uns noch, es bei der Fahrjacke zu belassen und die zusätzliche Strickjacke im immer wieder praktischen Staufach des T-Max zu verstauen. Auf La Palma ist man als Biker, Wanderer und in jeder anderen Situation immer gut beraten, wenn man sich Bekleidungs-technisch auf größere Temperaturschwankungen einstellt, was durch die schnellen Höhenunterschiede eben normal ist.
Die Markthalle von Puntagorda
An der Hauptstraße biegen wir links in den Ort ein und kommen so direkt zur großen Uhr am Kreisel, die in jede Himmelrichtung eine andere Zeit anzeigt. So eine Art Weltzeituhr oder der versteckte Hinweis darauf, dass Zeit hier noch nicht die Bedeutung hat. Hier halten wir uns rechts und kommen so direkt zur Markthalle. Wie wir feststellen, macht sie heute, am Samstag leider erst am Nachmittag auf, so dass der Einkauf von leckerem Ziegenkäse, eingelegten Oliven und getrockneten Tomaten leider ausfällt…so ein Pech. Somit können wir nichts für eine kleine Pause im Freien einkaufen. Vielleicht sollte man sich doch endlich einmal die Öffnungszeiten merken.
Unverrichteter Dinge geben wir uns also nur kurz per Handzeichen zu verstehen, dass es weiter geht. Nach einer kleinen Umrundung des Rastplatzes vor dem Marktgelände stoßen wir wieder auf die Hauptstraße und fahren hier noch ein kurzes Stück, bis die Straße sich gabelt und sich links nun schon deutlich kurviger gemächlich den Berg hochwindet.
Das Wetter spielt mit und die Sicht ist wieder einmal spitze. Wir erreichen das Restaurant in Briestas, fahren noch die eine oder andere Kehre und gelangen bald an den Abzweiger zum Roque de Los Muchachos. Hier wird es nun doch schon einige Grade kühler und die Straße windet sich nun das eine um andere Mal in engen Kurven hinauf. Bergauf ist der Straßenverlauf nicht gut zu erkennen und ein paar Male wird man hinter einem Felsen von einer engen 180 Grad-Kehre überrascht. Doch die Straße ist gut in Schuss und nur ab und an muss man sich einen Weg durch die Tannennadeln auf der Fahrbahn suchen, diese haben nämlich gar keinen Grip! Ach, da lacht das Bikerherz.
Kurve um Kurve geht es aufwärts. Kein weiteres Fahrzeug scheint mit uns die Straße zu nutzen und versaut uns den Strich. Langsam wird der Wald lichter und schon ist die Baumgrenze erreicht. Die Landschaft wird nun deutlich karger und ähnelt schon bald einer Mondlandschaft mit einigen grünen Sträuchern. Dieser Eindruck wird durch die Installationen des Observatoriums natürlich noch verstärkt.
Am Roque de Los Muchachos
Durch die Fahrt verspüre ich ein leichtes Durstgefühl und frage mich mal wieder, warum hier noch immer keine Imbissbude steht. Vielleicht so nach dem Motto „Die letzte Currywurst vorm Universum“ oder so. Das einzige, was es hier gibt, ist ein Info-Häuschen, in dem meine Begleiterin nach einem Servicio fragt und als Antwort ein neckisches „natural“ erhält. In Anbetracht des mittlerweile vollen Parkplatzes kann man sich die Notdurft dann aber doch noch eine Weile verkneifen.
Der Blick über die Insel ist von hier oben jedes Mal anders und immer wieder gigantisch. Immerhin befindet man sich in etwas über 2400 Höhenmeter. Auch der Teide von Teneriffa ist in der Ferne zu sehen.
Die Suche nach der Quelle „Fuente de Olén“
Wir passieren noch einige Fotohaltepunkte, die spannende Blicke auf immer wieder andere Felsformationen und -strukturen bieten. Die Straße windet sich gemächlich bergab und binnen weniger Höhenmeter tauchen wir wieder in den dichten Nebel der Wolkenschicht , die sich auf etwa 1800 am Berg hält. Die Stimmung springt vom Schönen ins Gespenstische und die Luft wird kühl und feucht. Die Luftfeuchtigkeit kondensiert sofort an unseren Visieren und die Sicht ist gleich Null. Für derartige Wetterphänomene müssen sie anderswo mehrere hundert Kilometer fahren um die Unterschiede an eine Tag zu erleben, hier bekommen sie das um die Ecke und retour.
Der Nebel ist so dicht, dass wir uns alle paar Sekunden das Visier frei wischen müssen, um bei der eh schon schlechten Sicht überhaupt noch etwas erkennen zu können. Die Straße wir schlagartig rutschiger und die Sinne sind hell wach und gefordert. Im Leben möchte ich jetzt nicht im Auto sitzen. Ab und an versuche ich, den Abzweiger zur Quelle ausfindig zu machen, doch in Anbetracht der Wetterbedingungen ist mir nun eigentlich auch nicht mehr danach, hier nochmals Halt zu machen, um durch dicken Nebel zu laufen und anschließend die feuchte Sitzbank zu besteigen. Nach etlichen Minuten tauchen wir aus dem Nebel und befinden uns schon kurz über der Hauptstadt. Somit ist auch klar, dass wir die Quelle verpasst haben, was aber nicht nur mich nicht stört.
Mittagspause in der Hauptstadt
Am Ende des Tunnels ward ein Licht
Nach dem Mittagsimbiss geht es nun zurück auf die Westseite. Wir beschließen, die eigentlich geplanten Abstecher nach San Antonio und San Pedro auf einen anderen Tag zu verschieben und begeben uns direkt auf die Hauptstraße hinauf zum Tunnel. Bald merken wir, wie schmierig die Fahrbahn ist, da uns permanent das Hinterrad wegrutscht. Im Gegenverkehr gibt es kurz nach Santa Cruz noch einen kleinen Crash, den sich keiner von uns erklären kann.
Nachdem wir uns wahrlich den Berg hinauf gekämpft haben, erreichen wir den Tunnel und einmal mehr bestätigt sich die Aussage, dass man auf der Westseite mit herrlichem Sonnenschein empfangen wird. Natürlich gibt es Ausnahmen, doch zum deutlich überwiegenderen Teil stimmt die These.
Vor uns breitet sich das weite Aridanetal aus, El Paso rückt näher und gibt den Blick auf den weiten Ozean frei. Wir sind ganz schön geschafft, so eine Inselumrundung mit den dauernden Höhenunterschieden von mehreren Hundert Metern ist nicht ohne. Vor Los Llanos fahren wir also direkt auf die Umgehungsstraße, die uns direkt ans andere Stadtende bringt. Wo auch unser heutiger Ausflug endet.
Behalten Sie den Grip…
Ihr Jean-Bas